Museum Tinguely Basel

BEA_0157-blog

IIT! Intelligenz, Innovation und Tradition  –  dies ist Ludwig Oechslins Leitmotiv für all seine Arbeiten. Seine drei Kernworte, welche ihn Antreiben, seine Gedanken zu neuen Ideen werden zu lassen. Komplexe Aufgaben in genial einfache Lösungen umzusetzen. ochs und junior ist die Plattform für seine Uhren, seine Technik, sein Design, seine Erfahrungen und auch für seine Kunst.

Es gibt Gedanken, die realisiert sein wollen! Kraft, die plastisch Wirkung erzeugen soll! Dazu braucht es Menschen, welche dies umsetzen. Wie bei den Uhren, gibt es auch bei Oechslins Grossskulpturen-Ideen Freunde, die dies mit ihm umsetzen.

Das Museum Tinguely in Basel widmet den Weggefährten des grossen Schweizer Eisenplastikers Jean Tinguely Ausstellungen. Zwischen dem 16. September 2009 und dem 24. Januar 2010 ist das Lebenswerk von Paul Wiedmer spektakulär inszeniert: Feuer und Eisen!

Paul Wiedmer hat zwischen 1998 und 1999 die Skizzen und Ideen von Oechslin umgesetzt und 9 kraftvolle, didaktische Zeitskulpturen geschaffen, die ZeitZeichen.

Chronologisch verdeutlichen diese Aufgabenstellungen und Entwicklungen der Zeitmessung und den Fluss der Zeit.

Kraft, freier Lauf, Energie.

Kraft, Bändigung.

Kraftspeicher, Gewicht.

Kraftspeicher, Stahlfeder.

Isochronismus, Pendel, Schwerkraft (Massenanziehung) und Trägheit.

Isochronismus, Unruhe mit Spiralfeder, Flexibilität (Elastizität) und Trägheit.

Reduktion von Störfaktoren, Temperaturkompensation.

Reduktion von Störfaktoren, Unabhängigkeit des Schwingers.

Schlussüberlegung; Das Werk von Ludwig Oechslin wird bei ochs und junior von Kora Imesch Oechslin gesammelt, verwaltet und auch an Museen ausgeliehen. Im zur Ausstellung in Basel erschienen Buch „Feuer und Eisen“ ist Koras nachfolgender Text publiziert:

Die ZeitZeichen oder das «ewige Jetzt»

Paul Wiedmers ZeitZeichen  –  eine Gruppe von acht respektive neun Eisenskulpturen oder -installationen  –  nehmen im Œuvre des Künstlers thematisch einen besonderen Stellenwert ein. Entstanden in konzeptioneller Zusammenarbeit mit dem Uhrenkonstrukteur und Technikwissenschaftler Ludwig Oechslin, beziehen sie sich auf die wichtigsten Schritte in der Entwicklung der mechanischen Uhr in den letzten acht Jahrhunderten. Diese sogenannten didaktischen Modelle thematisieren, was zum zentralen Bestandteil einer technikkulturellen und auch künstlerischen Entwicklung werden sollte, die das Leben sowohl des Individuums wie auch der industrialisierten Gesellschaften tiefgreifend prägte und veränderte: die mechanische Uhr, das gleichmässige Ticktack eines komplexen Innenlebens, dessen Mechanik und Wirkungsprinzipien in ihrer Gesetzmässigkeit als Metapher des Kosmos und Inbegriff einer modernen Zivilisation fungierten.

Die acht Eisenmodelle, entstanden zwischen 1997 und 1998, wurden als Skulpt-Uhren 1999 erstmals ausgestellt. Vier physikalische Faktoren oder Prinzipien und deren Wirkung  –  Energie, Kraftspeicherung und -beherrschung sowie die Eliminierung von Störfaktoren: Prinzipien und Faktoren, über deren Erforschung und Umsetzung in ein mechanisches Räderwerk dieser genuin europäischen «Erfindung» seit dem 13. Jahrhundert zum Durchbruch verholfen wurde  –  setzte Wiedmer in jeweils zwei Installationen konkretisierend künstlerisch um. Ergänzt werden diese acht «Schritte» durch eine neunte Installation, die mit kreisendem Pendel, Rad, Lichtvoluten und Pflanze die zwei unterschiedlichen, dialektischen Zeitbewegungen oder Zeitkonstruktionen  –  die reversible wiederkehrende zyklische Zeit des Kosmos und die irreversible nicht wiederkehrende Zeit der Lebewesen im geschichtlichen Verlauf  –  umsetzt. Zusammenfassend verdichten sich in dieser Installation Zyklische Zeit  –  Lineare Zeit, welche die Zeit und den Zeitbegriff kosmologisch, biologisch und humanwissenschaftlich sowie philosophisch ausmachen.

Alle «Modelle» sind als aufklappbare hochrechteckige Kästen in den Massen 210x80x60 cm oder 210x140x60 cm gestaltet und zollen von ihrem Volumen her damit dem Raum als vierter Dimension (Zeit) Tribut. Eine Reihe von zeichnerischen Vorstudien und Skizzen, die Wiedmers Lösungsfindung als künstlerischen Prozess in der Zeit detailliert nachvollziehbar machen, und neun oder zehn Jahre später, 2007, entstandene Werke zu den ZeitZeichen in Mischtechnik komplettieren diese einzigartige Werkgruppe, in der die kraftvolle Handschrift des Eisenplastikers eindringlich zum Ausdruck kommt.

Seit dem 14. Jahrhundert haben sich Künstler wiederholt mit den Themen Zeitmessung und mechanische Uhr befasst. Doch schon seit den ersten überlieferten Werken des Spätmittelalters wird diese Thematik normalerweise nur in Bezug auf die Uhr als Objekt im Bild umgesetzt. Dieser ikonografischen Darstellungstradition verpflichtet sind nicht nur vormoderne Darstellungen, sondern auch solche von Künstlern des 20. Jahrhunderts wie Paul Klee oder Salvador Dalì, die mit der Uhr als Bildgegenstand der menschlichen Lebenserfahrung einer «zerfliessenden Zeit», so bei Dalì, Ausdruck verliehen.

Wiedmers ZeitZeichen hingegen setzen, wie angesprochen, nicht auf dieser motivischen Ebene bildlicher Werke an. Sie sind vielmehr als «Zeichen zur Zeit» im Raum und damit in der Zeit und als «ewiges Jetzt» umgesetzt. In jedem Einzelnen der mit Rädern ausgestatteten und mobil im Raum  –  in der Zeitdimension  –  bewegbaren «Kästen» werden die oben erwähnten der mechanischen Uhr genuinen elementaren Prinzipien oder Wirkungskräfte in den ZeitZeichen über Räderwerke und Pendel auch realiter in Bewegung  –  und damit in einen zeitlichen Ablauf  –  versetzt. Mit Feder, Waage, Spirale u. a. m. repräsentieren diese «Skulpt-Uhren» die sowohl technikkulturellen wie künstlerischen Innovationen der letzten Jahrhunderte; sie stehen für den genuinen Zusammenhang von Kunst, Uhr und Kultur.

Kornelia Imesch

[publiziert in: Paul Wiedmer, Feuer und Eisen, Ausstellungskatalog Tinguely-Museum Basel, Basel 2009, S. 101–103 (dt.), 105 – 107 (engl.)]

Wie lange braucht eine Rebenblüte im portugiesischen Weinbaugebiet Douro um reife Frucht zu werden? 100 Tage!

Was misst den Zeitabschnitt für die erste Bewertung des US Präsidenten nach der Amtsübernahme? Ludwig Oechslin, der Philosoph und Spezialist für Zeithorizonte hat mit Paul Wiedmer 2008 die 100-Tage-Uhr realisiert. Die erste Blüte zeigt sich im Frühling, die Uhr wird justiert und 100 Tage später zeigt sie die Traubenreife an. Der Präsident betritt das Oval Office und nach 100 Tagen ist der erste Zeitpunkt, Zwischenbilanz zu ziehen. Das Kunstwerk: durchdacht, roh, leicht und mit einem Augenzwinkern. Wie Ludwigs Uhren…